Frankfurter Allgemeine Zeitung: „Wie ein Reiseanbieter um Kunden ab 55 buhlt“

trendtours hat sich auf Reisen für „Best Ager“ spezialisiert. Der Chef (CEO, Markus Daldrup) sieht darin kein aussterbendes, sondern ein wachsendes Geschäft.

 

Nur einmal alle zehn Jahre blüht es besonders bunt. Und da nun wieder in einer niederländischen Stadt – 2022 ist es Almere, 20 Kilometer östlich von Amsterdam – alle Beete für die Weltgartenschau Floriade bepflanzt sind, beginnt für den Reiseanbieter Trendtours das große Geschäft. In der Vier-Tage-Tour sind eine Boots- und Seilbahnfahrt durch den Park enthalten ebenso wie ein „Kaffeekränzchen“. Trendtours ist Deutschlands größter Direktreiseanbieter. Busreisen sind zentral im Programm, die Zielgruppe sind Reisende von 55 Jahren an. Chef Markus Daldrup nennt sie konsequent „Best Ager“, das klingt moderner als im höheren Alter Senioren oder Rentner.

 

Corona zwang ihn, Hilfen vom Wirtschaftsstabilisierungsfonds des Bundes in Anspruch zu nehmen – allerdings keine Milliardensumme, sondern 23 Millionen Euro. Jenseits der Pandemie-Beschränkungen sieht Daldrup das Geschäft als außerordentlich krisenfest an. Steigende Lebensmittel- und Energiekosten scheinen kein großes Thema. Der Krieg in der Ukraine habe zwar unter den Kunden – wie in der Gesellschaft insgesamt – zu einer Schockstarre geführt. „Mittlerweile sehen wir, dass es nur zu einer Verschiebung der Buchungen gekommen ist“, sagt Daldrup. Aktuell steige die Nachfrage.

 

Bedeutender als Meldungen über die höhere Inflation ist für uns die Ankündigung höherer Renten. Wir sind auf Best Ager ausgerichtet, eine Rentenerhöhung ist also gut für unser Geschäft“, sagt Daldrup im Gespräch mit der F.A.Z. Zum Sommer steht die größte Rentenerhöhung seit Jahrzehnten an: 5,35 Prozent mehr gibt es für Senioren im Westen, 6,12 Prozent in den östlichen Bundesländern. „Ohnehin sehen wir an den eingehenden Buchungen, dass die Bürger trotz allgemein steigender Preise noch genug Geld für ihren Urlaub in der Reisekasse haben“, fügt Daldrup hinzu. Zur Floriade hat Trendtours zusätzliche Touren aufgelegt, allein im Juli brechen an 20 Tagen irgendwo in Deutschland Reisebusse gen Niederlande auf – meist mehrere am Tag. Und wer weiter oder länger weg will, kann zur „Glitzerwelt“ der Cote d’Azur samt Monaco, nach Schlesien oder in die Toskana fahren.

 

Mit 54 Jahren hat Reisemanager Daldrup noch nicht ganz das Alter seiner Kernzielgruppe erreicht. Als er 2019 vom Pauschalreiseanbieter Alltours zum Unternehmen Trendtours wechselte, das zwei Finanzinvestoren gehört, hieß es für ihn umzudenken. Für Flugreisen ans Mittelmeer ist es nicht mehr wichtig, ob ein Hotel eine Wasserrutsche hat, sondern dass sich ein älteres Publikum wohlfühlt. Reisen vermarktet er weniger über Online-Urlaubsportale. Es gibt für Bestandskunden eine wöchentliche Aussendung, die viele per Post erhalten. Er wirbt nicht mit Pärchen Anfang 30 am Strand, sondern lässt Menschen von 50 Jahre an abbilden. Neue Kunden gewinnt er über Annoncen unter anderem in der „Apotheken-Umschau“.

 

Ein Schmunzelthema sind Best-Ager- Reisen aber nicht, sondern ein Expansionsfeld. „Wenn man reine Kreuzfahrtanbieter herausrechnet, zählen wir schon heute zu den zehn größten Reiseveranstaltern Deutschlands“, sagt Daldrup. 2019 machte Trendtours mit 400 000 Kunden rund 320 Millionen Euro Umsatz. Dann kam die Pandemie. Die habe aber keine generelle Abneigung gegen Gruppenfahrten gefördert. „Unser Problem lag eher in der Organisation, weil Länder sehr unterschiedliche Vorgaben machten“, klagt Daldrup. So hätten zum Beispiel für eine Fahrt aus dem Ruhrgebiet nach Skandinavien zwischenzeitlich Mitreisende beim Durchqueren von Bremen 1,5 Meter Abstand halten müssen. Und Kunden aus Sachsen durften vorübergehend nicht im eigenen Bundesland zusteigen. Das ist vorbei.

 

Im diesem Jahr wird die alte Größe aber noch nicht erreicht, weil pandemiebedingt ein Teil des Geschäfts im ersten Quartal fehlte. Und Wolga-Törns sowie Königsberg- Fahrten sind für das gesamte Jahr abgesagt. 2023 will Daldrup wieder Vorkrisenzahlen erreichen, 2024 diese übertreffen. „Reisen für Best Ager bergen ein großes Potential, das längst nicht ausgeschöpft ist“, sagt er: „Die Zielgruppe der Menschen ab 60 Jahre wird bis 2030 um 2,5 Millionen Menschen wachsen.

 

Er will nicht nur von der demographischen Entwicklung profitieren, sondern auch Marktanteile in einem stark fragmentierten Tourismussegment ergattern. Die Spanne seiner Wettbewerber reicht von örtlichen Unternehmern, die mit einer einstelligen Zahl an Bussen Touren anbieten, bis zu Spezialveranstaltern für Gruppenreisen. „Kleingruppenreisen mit höchstens 20 Teilnehmern sind für uns ein Wachstumsthema“, sagt er. Trotz kleinerer Teilnehmerzahlen will er Größenvorteile ausspielen. „Urlaub in kleineren Gruppen muss auch nicht teurer sein. Wir planen mit mehreren Touren zu verschiedenen Terminen. Das verschafft Preisvorteile im Einkauf.“ Künftig sollten Best Ager, die an Reisen denken, zuerst an Trendtours denken, lautet Daldrups Ziel. Die Mitarbeiterzahl soll von 150 auf 200 steigen. Weil die Büros in der Kleinstadt Kriftel bei Frankfurt zu klein werden, steht der Umzug ins nahe Eschborn an. Zudem ist die Marke fortan auch in Reisebüros buchbar. „Traditionell sind wir im Direktvertrieb tätig. Es ist aber ein Irrtum, dass die Vermittlung über Reisebüros teurer ist, denen wir mindestens eine Provision von 10 Prozent des Reisepreises zahlen.“ Daldrup rechnet damit, dass künftig jede fünfte Buchung über ein Reisebüro hereinkommt.

 

Italien, Spanien, Metropolen – mit Blick auf Länder und Städte, die besucht werden, sieht er längst keinen großen Generationenunterschied. „Den Großteil unserer Ziele wollen nicht nur Senioren besuchen. Wir könnten uns mit Blick auf den Kundenkreis leicht verjüngen, behalten aber bewusst unseren Fokus auf Best Ager bei“, sagt er. Die wählten zwar nicht stets andere Ziele, wünschten aber doch einen etwas anderen Urlaub. Am Pool im Sonnenschein auszuruhen zähle nicht dazu. Sie wünschten geradezu ein volles Programm, sagt Daldrup: „Wenn wir vor Ort nicht selbst Zusatzausflüge anbieten, würden unsere Kunden sich die anderswo buchen. Für unsere Kunden gilt oft, dass sie sich zu Hause erholen, unterwegs wollen sie möglichst viel erleben.

 

Das Kaffeekränzchen zur Blumenschau ist ein Relikt, die Zahl der Flugreisen nach New York, Namibia oder Kanada wächst. „Reisen für Best Ager sind längst nicht mehr nur Busrundreisen. Auch exotische Fernziele gewinnen an Bedeutung. Senioren von heute sind agiler und bringen viel mehr Reiseerfahrung mit“, sagt Daldrup.

 

Quelle:

Kotowski, T. (26.04.2022). Urlaub ab 55 aufwärts. Frankfurter Allgemeine Zeitung.

www.faz.net/aktuell/wirtschaft/unternehmen/trendtours-reiseanbieter-spezialisiert-sich-auf-kunden-ab-55-17982451.html

 

© Alle Rechte vorbehalten. Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH, Frankfurt. Zur Verfügung gestellt vom Frankfurter Allgemeine Archiv