Handelsblatt: „Und es hat Woom gemacht“

Das Family-Office Bregal der C-&-A-Eigentümerfamilie Brenninkmeijer und der Runtastic-Gründer sichern sich Anteile an dem Kinderfahrradhersteller.

Beim Gründen geht es erstens darum, eigene Bedürfnisse, die man nicht befriedigen kann, in ein Geschäftsmodell zu gießen, zweitens, auf Megatrends zu setzen, drittens, einfach mal etwas zu wagen, und viertens, nicht alle Fehler selbst zu machen. Marcus Ihlenfeld (47) und Christian Bezdeka (43) haben all das mit ihrer Kinderfahrradmarke Woom geschafft, wenn man sich die Entwicklung und den Erfolg des Unternehmens seit der Gründung im Jahr 2013 anschaut.

Es gab gar keinen Generalstabsplan, beteuert Bezdeka. Woom gehört aber in Österreich inzwischen zu den Großunternehmen: Der Jahresumsatz übersteigt 50 Millionen Euro.

Nun haben die beiden Gründer erstmals nicht nur Wagniskapital eingesammelt, sondern sich auch Expertise ins Haus geholt: Das Family-Office Bregal der C-&-A-Eigentümerfamilie Brenninkmeijer hat sich 27 Prozent der Anteile an Woom gesichert. Weitere sechs Prozent gehen an den Runtastic-Mitgründer Florian Gschwandtner sowie die Unternehmer Stefan Kalteis und die deutschen Investoren Alexander Kudlich, Ludwig Ensthaler und Florian Leibert. Zur Investitionssumme haben die Parteien Stillschweigen vereinbart.

Die Erfolgsgeschichte der beiden Gründer begann, als die sportbegeisterten Väter einfach keine Räder für ihren Nachwuchs fanden. Sie entschieden sich, selbst welche zu entwickeln. Der Industriedesigner Bezdeka und der Wirtschaftswissenschaftler Ihlenfeld, der in der Autoindustrie arbeitete, gaben ihre bisherigen Jobs auf und starteten mit geliehenem Geld von Familie und Freunden. Dieses haben sie inzwischen zurückgezahlt, doch es gab auch schwierige Zeiten: „Wir haben den Arsch zusammengekniffen“, sagt der gebürtige Österreicher Bezdeka rückblickend.

Das Wichtigste sei es gewesen, schnell einen Prototyp zu entwickeln, der wirklich die Bedürfnisse von Kindern beim Radfahren berücksichtigt. Es sollte nicht darum gehen, einfach kleine Erwachsenenräder zu produzieren. Das hervorstechende Merkmal: Die Räder sind besonders leicht, aber auch die Griffe, Gangschaltungen und selbst die Schlösser sind komplett auf die Bedürfnisse von Kindern abgestimmt. Ein Woom-Rad kostet je nach Größe zwischen 174 und 999 Euro. Die seit 2019 ebenfalls erhältlichen Kinder-E-Bikes kosten knapp unter 3000 Euro. Aber „auch die Nachfrage nach den E-Bikes hat unsere Pläne überstiegen“, sagt Ihlenfeld.

Bereits seit 2017 schreibt das Unternehmen nach eigenen Angaben schwarze Zahlen. Produziert werden die Räder in Kambodscha, Bangladesch – und bald auch in Polen. Die kürzeren Transportwege sollen dem Thema Nachhaltigkeit Rechnung tragen, sagt Bezdeka. Die wichtigste Kundengruppe sind besser verdienende Eltern, die selbst sportlich aktiv sind und auch bei ihren Kindern viel Wert auf Bewegung legen.

Das sogenannte Upcycling-Modell soll ebenfalls zur Nachhaltigkeit beitragen: Dieses ermöglicht es Eltern, Räder zurückzugeben, sobald ihre Kinder zu groß für sie werden, und 40 Prozent des Kaufpreises zurückzubekommen. Allerdings nutzen das Angebot gerade einmal 1,5 Prozent der Kunden, gibt Ihlenfeld zu. Der Grund: Die Räder werden meist schon vorher weiterverkauft und erzielen bei Ebay nicht selten rund 70 bis 80 Prozent des ursprünglichen Kaufpreises. Dennoch sei es wichtig, dass es das Angebot gebe, sagt Bezdeka.

 

Bewusste Entscheidung für ein Family-Office als Kapitalgeber

Die beiden Gründer haben im März den früheren Jack-Wolfskin-Manager Guido Dohm mit ins Boot geholt, der Mitte Juli in die Geschäftsführung aufgestiegen ist. Dringend gebraucht haben Ihlenfeld und Bezdeka die neuen Investoren nicht. Ihr Geschäft ist derzeit durch Banken finanziert. Doch für ihre Wachstumspläne suchten sie langfristige Partner, die „nicht nur finanziell sehr gut aufgestellt sind, sondern auch Know-how, Netzwerk und Erfahrung mitbringen“, sagt Bezdeka. Die beiden Gründer haben sich viel Zeit damit gelassen, die richtigen Partner zu finden.

Mit Philipp Freyschlag von Bregal haben sie einen Investor gefunden, bei dem auch das Menschliche passt und die langfristige Perspektive stimmt. „Es war uns wichtig, ein renommiertes Family-Office als Investor zu gewinnen, das auch unsere Werte teilt“, sagt Bezdeka. Darüber hinaus setzen sie auch auf die Unterstützung anderer Investoren. Florian Gschwandtner, der Gründer der Fitness-App Runtastic, die inzwischen zu Adidas gehört, ist sicher der prominenteste. „Woom hat sowohl in der Digitalisierung als auch im Bereich E-Bike das Zeug dazu, ein ,Unicorn' zu werden“, sagt Gschwandtner.

Bezdeka umreißt die Mission des Unternehmens: „Wir bringen Kindern das Radl-Fahren bei, wir verändern die nachfolgenden Generationen zu etwas Positivem, machen einen sichtbaren Unterschied.“ Er habe persönlich auf Messen und Präsentationen „mehreren Hundert Kindern das Radl-Fahren beigebracht. Die haben den Unterschied, den wir machen, gleich gemerkt. Sie konnten mit unseren Rädern fahren, mit anderen nicht.“

Inzwischen haben die anderen Kinderfahrradhersteller wie Puky und Cube nachgezogen und ihre Modelle in puncto Gewicht und Kettenschutz an Woom angeglichen. Das bestätigt auch Sascha Weber. Er ist Paderborner Filialleiter eines der größten Fahrradhändler in Nordrhein-Westfalen: der Firma Löckenhoff und Schulte mit Standorten in Paderborn und Lippstadt sowie dem Online-Shop www.rad1.de. Aber die Marke Woom sei immer noch das Maß der Dinge: „Vor allem die Qualität der Räder ist immer noch herausragend“, sagt der Kinderfahrradexperte.

Dass nun auch Investoren an das Geschäftsmodell und die Innovationskraft des Unternehmens mit rund 100 Mitarbeitern im niederösterreichischen Klosterneuburg in der Nähe von Wien glauben, spornt die Gründer an. So hat das Family-Office Bregal der Brenninkmeijers mit der Beteiligung an Woom zum ersten Mal in der Alpenrepublik investiert, erklärt Philipp Freyschlag. Woom habe es geschafft, „einen kompletten Markt neu zu erfinden“, und habe noch „enormes weiteres Potenzial“, sagt der Kapitalgeber.

Man sei mit den beiden Gründern aufgrund gemeinsamer Werte schnell auf eine Wellenlänge gekommen. „Gerade der Ansatz, Kindern mit einem tollen Produkt frühzeitig das Radfahren beizubringen und sie so zu mehr Bewegung zu motivieren, hat Bregal als nachhaltig orientierten Familieninvestor beeindruckt.“

 

Quelle: Handelsblatt

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